Galaxis im Feuer: Die Senatskriege

Band 1: Planet 394 – Der Funke der Rebellion

Hannes Yarek

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Prolog

Asche, überall Asche. Auf seiner Zunge, auf seiner Haut. Er konnte sie schmecken, er spürte, wie sie zwischen seinen Zähnen klebte. Ein schwerer Geruch hing in der Luft. Er wusste damals noch nicht, dass es der Geruch von verbranntem Fleisch war.

Er wusste nicht einmal mehr, warum er überhaupt hier saß. In seinem Kopf hämmerte es, in seinen Ohren bohrte ein lautes Dröhnen.

Er sah einen Mann auf ihn zukommen. Der Mann nahm ihn hoch.
„Wer bist du?“, fragte er ihn.

Kapitel 1

Der Auslöser für die Senatskriege war ein lokaler Konflikt auf Planet 394 im Texomos-System, der für einen Planeten der Föderation sehr unterentwickelt war. Dabei darf dieser Auslöser nicht mit den tieferliegenden Ursachen der Senatskriege verwechselt werden, die später besprochen werden sollen, denn ein lokaler Konflikt auf einem einzelnen Planeten hätte unmöglich diesen galaxisweiten Krieg begründen können, welcher schließlich die Machtstruktur in der gesamten Galaxis verändern sollte.

Auszug aus „Die Geschichte der Menschheit. Band 347.“

Ein falscher Schritt von ihm und wieder würden tausende Unschuldige sterben. Das war der Gedanke, der ihm jetzt durch den Kopf ging.

Er keuchte und es viel ihm immer schwerer, Schritt zu halten. Und das, obwohl er eigentlich gut trainiert war und jede Gasse und jeden Winkel kannte, durch die er sie bis jetzt gejagt hatte.

Schlamm spritzte bei jedem Schritt unter seinen Stiefeln hervor und verdreckte die schwarze Hose seiner Uniform und seine schwarze Jacke. Auch in seinen kurzen schwarzen Haaren klebte bereits Schlamm.

Nur mit Mühe konnte er ihr auf den Fersen bleiben. Ständig verschwand sie hinter der nächsten Ecke oder nahm eine Abkürzung durch einen der vielen Marktstände, vor denen sich dutzende Leute drängten.

Er wusste: Wenn er sie nur für einen Augenblick aus den Augen verlieren würde, wäre sie weg. Im tobenden Gewühl der Gassen des Marktes, der sich über zahlreiche Häuserblocks erstreckte, konnte sie leicht abtauchen, sobald sie aus seinem Blickfeld verschwunden war.

Dazu kam, dass die Sonne langsam, aber sicher hinter der Skyline aus glänzenden Wolkenkratzern verschwand und der Markt immer mehr zu einer grauen Masse aus Planen, Schlamm und Menschen verschmolz.

Als Junge hatte er sich mehr als einmal auf diesem Markt verlaufen. Das war erstmal nicht schlimm, eigentlich musste man dann immer nur geradeaus laufen, bis man wieder an einen vertrauten Ort kam.

Das Problem war, dass man dabei so gut wie immer in stinkenden, dunklen Gassen landete, in die man besser nur gehen sollte, wenn man sich verteidigen konnte oder wenn man jemanden dort kannte, der dafür sorgte, dass man sich nicht verteidigen musste.

Er erinnerte sich noch gut daran, was passieren konnte, wenn beides nicht der Fall war.

Manchmal kehrte er in seinen Träumen noch immer in diese dunklen Gassen zurück. Dann stieg der Geruch von nassem, faulendem Holz in seine Nase und er war für einen kurzen Moment wieder der kleine Junge aus dem Waisenhaus, der ein leichtes Ziel war für alles, was dort im Verborgenen lauerte, auch wenn es bei ihm nicht mehr zu holen gab als die 5 Föderations-Credits in seiner Tasche und das Machtgefühl, dass man bekam, wenn man auf ein wehrloses Kind am Boden eintrat.

In diesem Moment aber, als er sie über den Markt jagte, kamen ihm diese Ausflüge zugute.

Es war die Mischung aus vertrauten Bildern, Geräuschen, Gerüchen und einer weiteren Komponente, die man wohl Intuition nennen konnte, die es ihm ermöglichte, auch ohne einen Blick auf das integrierte Display an seinem linken Uniformärmel oder einer Nachfrage an die über ihm schwebende Droidendrohne jederzeit genau zu wissen, durch welche Gasse sie gerade rannten und in welche verwinkelten Gänge sie demnächst abbiegen könnte.

Er hätte es sich auch gar nicht leisten können, auf das Display zu schauen oder einen Funkspruch abzusetzen, denn er musste all seine Sinne aufbringen, um sie, die Rebellin vor ihm, nicht zu verlieren.

Seine ganze Konzentration lag nur auf ihr und er versuchte, ihre nächsten Bewegungen vorauszuahnen.

Gerade hatte sie wieder abrupt die Richtung geändert und war nach links in eine andere Gasse abgebogen. Er folgte ihr den Bruchteil eines Augenblicks später und sah die Wolkenkratzer der Skyline jetzt direkt über den Marktständen aufragen.

Der Gegensatz zwischen den Hochhäusern in der Ferne und den schlammigen Gassen, durch die er rannte, hätte kaum größer sein können.

Im Gegensatz zu ihm hatten die meisten Planetenbewohner die Hochhäuser noch nie aus der Nähe gesehen, geschweige denn betreten. Um ins Zentrum zu kommen, musste man mehrere Sicherheitsschleusen und Kontrollpunkte passieren. Niemand konnte sich einfach so in die Oase, wie die Innenstadt auch genannt wurde, verirren.

Dort schwirrten tausende Gleiter und Transporter auf den Luftstraßen herum, die sich um die Wolkenkratzer schlängelten, und die für das menschliche Auge nur aus einer endlosen Kolonne an schwebenden Fahrzeugen bestanden. Der Himmel über dem Markt hingegen war leer. Die Straßen der Oase waren von Bäumen gesäumt und in regelmäßigen Abständen befand sich ein Park. Die Straßen außerhalb waren staubig und grau.

In der Oase befand sich auch einer der beiden Raumhäfen, der die Stadt mit dem Rest der Galaxis verband. Von hier konnte man zum orbitalen Weltraumhafen fliegen, der um den Planeten kreiste und der Ausgangspunkt für die Reisen zu anderen Planeten des Sektors war. Es gab auch Flüge zum Planetenmond.

Auf dem Mond befand sich die Nurodium-Mine, die das Rückgrat der Wirtschaft des Planeten bildete.

Minenarbeiter mussten allerdings den anderen Raumhafen außerhalb der Oase benutzen, um zum Mond zu kommen. Früher hatte dieser Hafen am Rande der Stadt gelegen, aber mittlerweile war er vollständig von kleinen Gassen und Straßen umschlossen. Das führte dazu, dass die Shuttle beim An- und Abflug gefährlich nahe an einzelne Gebäude kamen und ab und zu auch mit einem kollidierten. Vom verursachten Lärm und Dreck ganz zu schweigen.

Die Oase war Heimat und Symbol der Wohlhabenden und Regierenden und so gut wie alle Besucher dieses Marktes waren weder das eine, noch das andere, ganz egal, ob sie menschlich waren, oder einer anderen Spezies angehörten.

Für sie hätte die Oase auch in einem anderen System liegen können, es hätte keinen Unterschied gemacht. Wer auf diesem Markt unterwegs war, der wollte meist einfach nur über die Runden kommen.

Und das konnte hier wirklich alles bedeuten. In den breiteren Hauptgassen des Marktes wurden Früchte, Brot und Fleisch, Kleider und Körbe, legal registrierte Droiden und Ersatzteile oder auch Tiere verkauft.

In den dunklen Gassen, in die man ohne genaue Ortskenntnisse kaum hinein und noch schwerer herausfand, konnte man alles andere kaufen. Erlaubt war das nicht, aber was bedeutete das hier schon.

Er gehörte zu denen, die zumindest versuchten, so etwas wie Recht und Ordnung auch an einem Ort wie diesem aufrechtzuerhalten. Das klappte nicht immer, aber ab und zu machten die Händler in den dunklen Gassen unliebsame Bekanntschaft mit Agenten wie ihm. Agenten, die ihren Job tatsächlich ernst nahmen, und nicht für ein paar Credits wegschauten.

Einige Händler suchten sich dann lieber einen Stand in den hellen Gassen und boten erlaubte Waren an. Andere Händler entschieden sich dazu, gemeinsam mit anderen Verbrechern, Rebellen und Gesetzlosen gegen Recht und Ordnung und seine Vertreter vorzugehen.

Und er war genau ein solcher Vertreter. Seine Uniform wies ihn als Agenten der Föderalen Sicherheit, kurz FS, aus. Auf dem rechten Ärmel seiner Jacke prangte das kreisrunde Wappen der Föderation. Im linken Teil des Kreises war ein stilisierter gold-schwarz-gefärbter Planet abgebildet. Im rechten Teil war ein Vogel zu sehen, der ebenfalls golden schimmerte.

Eine junge Frau in einem roten Kleid kam ihm in dem engen Gang entgegen, durch den er gerade rannte. Die auffällige Farbe ihres Kleides zog für einen kurzen Moment seine Aufmerksamkeit auf sich und riss ihn aus seinen Gedanken. Ihre Blicke trafen sich, doch noch im selben Moment erschrak das Mädchen, als sie bemerkte, wer dort auf sie zugerannt kam.

Mit einer fließenden Bewegung war er um sie herumgewirbelt, noch bevor sie die Chance hatte, aus dem Weg zu springen.

Die Marktgassen waren jetzt kurz vor Beginn der nächtlichen Ausgangssperre überfüllt, doch er war Verfolgungsjagden zu Fuß und durch großes Gedränge gewohnt. Viele der Marktbesucher, die er überholte, bemerkten ihn erst, als er bereits wieder im Getümmel vor ihnen verschwunden war.

Manchmal musste er abbremsen, wenn weitere Personen aus einem Stand in die Gasse hineintraten und seinen Weg versperrten. Dann konnte er die Blicke der Leute um ihn herum spüren. Sie musterten ihn mit einer Mischung aus Vorsicht, Abschätzung und manchmal auch Verachtung.

Er mochte es nicht, in Uniform aufzutreten. Nicht etwa, weil er ein Problem mit der Sektorregierung oder der Zentralregierung hatte.

Im Gegenteil, schließlich war die Föderation der Grund dafür, dass es auf diesem Planeten keinen Bürgerkrieg mehr von Warlords und lokalen verrückten Herrschern gab, die sich zu Königen krönen lassen, auch wenn ihr Königreich nur aus ein paar Häuserblocks in den Slums der Hauptstadt bestand.

Die Föderation war der Grund dafür, dass viele Kinder zum ersten Mal eine Schule besuchten und auch viele der erwachsenen Analphabeten endlich lesen und schreiben lernten. Die Föderation hatte Krankenhäuser eröffnet, um zumindest in Teilen eine grundlegende medizinische Versorgung sicherzustellen. Sie war auch der Grund dafür, dass auf diesem Markt überhaupt wieder Waren angeboten wurden und so etwas wie ein geregeltes Leben stattfinden konnte.

Ein Teil von diesem Erfolg zu sein erfüllte ihn mit einem Anflug von Stolz, auch wenn er dieses Gefühl als ein wenig unangenehm empfand.

Nein, er mochte das Auftreten in Uniform nicht, weil sie die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Und er mochte es generell nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Die Uniform verlieh ihm zusätzlich eine Autorität und Ausstrahlung, an die er sich in dem einen Jahr, in dem er als Agent arbeitete, noch nicht gewöhnt hatte.

Und doch war das noch nicht alles, tatsächlich gab es noch einen anderen Grund. Einen Grund, den er gerne ignorierte. An vielen Tagen gelang ihm das auch. Manchmal aber kam dieser Grund in sein Bewusstsein und erfüllte ihn mit einem Gefühl wie damals, als er nach der Schule für sich und seinen Freund Margo Süßigkeiten an einem Stand auf genau diesem Markt gestohlen hatte. Er war nicht erwischt worden, denn er war clever gewesen und unauffällig.

Trotzdem hatte er am Abend danach nicht einschlafen können, als er im großen Schlafsaal des Waisenhauses lag. Neben ihm hatte Margo seelenruhig gepennt. Er hatte danach nie wieder etwas gestohlen.

Dieses Gefühl überkam ihn wieder, wenn er Einsatzberichte von anderen Agenten las oder aber Nachrichten auf einem der riesigen Displays an den Häuserwänden in der Oase sah, bei denen er es mittlerweile verstand, zwischen den Zeilen zu lesen: Wann immer er die Uniform trug, fühlte er sich mitverantwortlich für die Taten anderer Agenten, die bei der Aufrechterhaltung der Ordnung nicht immer nach Protokoll und Gesetz vorgingen.

Zweifellos war dies manchmal notwendig, um einen Planeten wie diesen mit seinen Milliarden Bewohnern überhaupt davon abzuhalten, in komplettes Chaos und Anarchie abzugleiten.

Trotzdem konnte er dieses Gefühl nicht abschütteln. Trotzdem lag er dann abends wieder wach, wie damals im Schlafsaal.

Er versuchte, diesen leichten Anflug von Schuld mit Argumenten zu entkräften, aber es gelang ihm auch jetzt nicht so richtig, als er versuchte, über eine große Pfütze zu springen. Allerdings führte das nur dazu, dass mit er Anlauf in den hinteren Teil der Pfütze sprang und knöcheltief im Schlamm versank. Wasser spritzte auf und regnete auf ihn und seine Umgebung herab. Schlamm tropfte von seinen Haaren und seinen Händen, er war völlig durchnässt.

„Pass doch auf!“, rief eine schlecht gelaunte Stimme von der Seite.

Er drehte sich zu ihr um und sah direkt in das Gesicht eines Mannes, der 80 oder 90 Jahre alt sein musste. Seine graue Kleidung war mit Schlamm bespritzt und mit schmutzigem Wasser durchtränkt.

„Nur weil du eine Uniform trägst, kannst du nicht machen was du willst!“

Agent Dao Novum war überrascht ob dieser direkten Widerworte.

„Entschuldigen Sie“, nuschelte er schuldbewusst.

In diesem Moment vergaß er kurz seine Mission. Aber nicht lange, denn auf der Akademie hatte er gelernt, schnell wieder in seine Konzentration zurückzufinden. Und die galt ihr. Er blickte auf und sah sie vor sich.

Der Rebellin, die ihnen am Kontrollpunkt direkt in die Arme gelaufen war. Einem der Kontrollpunkte, die sie jetzt immer häufiger aufbauten, um die Terroristen zu finden, die einen neuen Bürgerkrieg anzetteln wollten. Gegen eine Ordnung, die sicher nicht perfekt war, aber was war die Alternative? Das pure Chaos. Er hatte es gesehen. In Videos der Kriege, die vor dem Zeitalter der Föderation hier tobten. Niemand war sicher gewesen. Es hatte nichts zu essen gegeben. Menschen verhungerten oder mussten ihre Kinder für ein Stück Brot verkaufen. Nein, er würde nicht zulassen, dass selbstsüchtige, machthungrige Verbrecher diese Zustände wieder herbeiführen konnten.

Die Sympathien der Planeten-Bevölkerung für die Rebellen waren in den letzten Wochen immer stärker gewachsen, da es aktuell Versorgungsengpässe bei Brot und anderen Lebensmitteln gab.

Der Anschlag auf die Mine war allerdings ein Schock gewesen. Auch er hätte nicht damit gerechnet, dass die Rebellion den Tod von unschuldigen Minenarbeitern einfach so in Kauf nahm. Die Explosion hatte dazu geführt, dass einer der Hauptschächte der Mine eingestürzt war. Mehr als zweitausend Bergleute waren gestorben und noch immer wurden hunderte vermisst.

Dieser Anschlag hatte daneben auch verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft des Planeten. Die Mine war einer der größten Arbeitgeber im ganzen Sektor, mit Abstand der größte auf dem Planeten und eigentlich das einzige wirklich gewinnträchtige Unternehmen. Mit nur einem Anschlag hatten es die Rebellen geschafft, die Mine in beträchtliche finanzielle Schwierigkeiten zu bringen. Einige ihrer Kunden hatten bereits damit begonnen, zukünftige Nurodium-Lieferungen auf anderen Planeten zu bestellen, schließlich schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis es zu einem weiteren Anschlag und damit zu einem vollständigen Stopp der Produktion kommen würde.

Die Folgen für den Planeten wären katastrophal, wahrscheinlich würde die gesamte Wirtschaft einfach kollabieren: Noch mehr Arbeitslose und noch mehr Armut würden in einer Gewaltspirale enden.

Die Sektorregierung hatte bereits angekündigt, die schon jetzt zu knappen Hilfslieferungen auf keinen Fall weiter erhöhen zu wollen. Der Planet riss bereits ein riesiges Loch in das Budget des Sektors und auf zwei anderen Planeten standen die Wahlen für die dortigen Parlamente kurz bevor. Die zur Wahl stehenden Kandidaten unterstützten diese harte Position der Sektorregierung, alles andere wäre auch politischer Selbstmord gewesen.

Umso wichtiger war es jetzt, dass er bei dieser Verfolgungsjagd erfolgreich war. Dass er sie schnappen konnte.

Diese Rebellin hatte sich sicher gefühlt, als sie mit einer falschen Identität unterwegs war. Ihr Verhalten in der Warteschlange vor der Sicherheitsschleuse war absolut unauffällig gewesen, sie war ihm nicht als nervös aufgefallen. Ihre Kleidung war unauffällig, ihre schulterlangen lockigen, braune Haare trug sie offen. Sie war vielleicht ein paar Jahre älter als er.

Als sie an der Reihe für den Augenscan war, vermeldete das System sofort eine verschlüsselte Warnmeldung auf dem Bildschirm des FS-Captains: Ihre Identität war gefälscht. Es gab keine Decima Scrob, wie sie laut ID-Informationen heißen sollte.

Die Identität konnte von Mutter als eine Kennung identifiziert werden, die auf gleichem Wege wie andere von den Rebellen gefälschte Identitäten in das Personen-Identifizierungs-System des FS-Computers gespielt worden war.

Im Falle einer solchen Meldung sah das Protokoll eigentlich vor, durch einen schnellen Zugriff die Person mit falschen ID-Informationen zu verhaften und in wenigen Augenblicken in den bereitstehenden FS-Gleiter und zum Verhör zu bringen. Das kurze Zögern im normalen Ablauf an der Sicherheitsschleuse hatte aber ausgereicht, um ihr zu signalisieren, dass etwas nicht in Ordnung war.

Im nächsten Augenblick knallte es und selbst er als ausgebildeter Agent benötigte einen Moment, um zu begreifen, dass sie gerade eine Blendgranate gezündet hatte. Die schnelle automatische Abdunklung des Sichtfeldes durch seine Databrille hatte seine Augen davor geschützt, geblendet zu werden und auch die massiven Türen der Sicherheitsschleuse schlossen sich sofort automatisch.

Trotzdem war sie blitzschnell entkommen und hatte durch diese Aktion einen Vorsprung von wenigen Sekunden erhalten, bevor er die Verfolgung aufnehmen konnte.

Und jetzt tat er sich schwer, diesen Vorsprung aufzuholen. Wenn er ehrlich war, wurde der Abstand zu ihr eher größer als kleiner.

Sie muss diesen Markt verdammt gut kennen.

Vielleicht waren sie sich hier schon unzählige Male begegnet und hatten voneinander keine Notiz genommen.

Als er nach vorne schaute, sah er sie gerade noch nach rechts in eine Seitengasse springen. Dabei stieß sie mit ihrer Hand einen Tisch voller Käfige um, in denen sich allerlei kleine und große Tiere befanden. Eine clevere Maßnahme, um ihm den Weg zu versperren.

Einige Käfigtüren sprangen auf und die zuvor darin gefangenen großen und kleinen Tiere ergriffen sofort die Chance und sprangen, flogen oder krabbelten in die Freiheit. Er sprang über die Käfige und schob den aufgeregten Händler beiseite, der sich lauthals über seinen umgeworfenen Tisch beschwerte.

„Wer ersetzt mir das jetzt?“ hörte er ihn rufen, als er um die Ecke bog.

Mit großen Schritten fand er seinen Weg durch eine Reihe von aufgespannten Tüchern und Planen, die seine Sicht versperrten. Er dachte daran, wie ein solch kleines Tuch dazu führen konnte, dass sie ihm entkommen würde. Vielleicht war genau das hier der entscheidende Moment, um die notwendigen Informationen zur Niederschlagung dieses verbrecherischen Aufstands zu bekommen. Informationen, die einen sinnlosen Bürgerkrieg verhindern und tausende Menschenleben retten konnten.

Damit nicht wieder Kinder in großen Schlafsälen im Waisenhaus liegen und nicht einschlafen können.

Er hob seinen Blick und konnte gerade noch sehen, wie sie vor ihm nach rechts auf das hölzerne Dach eines Marktstandes sprang. Sie war näher, als er vermutet hatte, nur zwei Schritte entfernt. Er konnte nicht viel Anlauf holen. Als er mit einem Bein absprang, spürte er einen stechenden Schmerz im Oberschenkel. Er schaffte es gerade so, mit beiden Händen an zwei Bretter des Dachvorsprungs zu greifen. Sein schlechter Sprung würde ihn wertvolle Zeit kosten.

Als er sich auf das Dach zog, war sie allerdings noch dort. Sie musste ebenfalls gestürzt sein, denn sie zog sich gerade hoch auf die Knie. Er sprang und bekam ihren rechten Knöchel zu fassen. Sie trat nach ihm und zog dabei ihr anderes Bein von ihm weg. Er rutschte ab und bekam nur noch ihren rechten Stiefel zu greifen, der von ihrem Fuß glitt. Dabei viel ein kleiner dunkler Gegenstand herunter, der sich in ihrem Stiefel befunden haben musste.

„Netter Versuch“, hörte er eine tiefe verzerrte Stimme über sich sagen.

Er blickte auf und sah eine Gestalt am anderen Ende des Daches hinter der Rebellin stehen. Viel erkennen konnte er nicht, da das Gesicht mit einem grauen Tuch vermummt war. Die Gestalt zeigte auf ihn mit einem Gegenstand. Ihn überkam ein stechender Schmerz und es wurde dunkel.

„Agent Novum, hören Sie? Agent Novum, was ist los? Over.“

Die Stimme in seinem Ohr war das Erste, was er wieder war nahm. Sie stammte aus seiner Databrille.

Es dauerte noch einen Moment, bis er wusste, wo er war und wie er dort hingekommen wer. Der Kommunikations-Agent aus der FS-Zentrale wiederholte die Frage noch ein paar Mal, bevor er antworten konnte.

„Hier Agent Novum, wie lange habe ich meine Position nicht verändert?“

Er wusste nicht, wie lange er ohnmächtig gewesen war.

„Agent Novum, sie befinden sich seit knapp einer Minute an der gleichen Stelle.“

Er rutschte langsam auf seine Knie, die immer noch zitterten. Er konnte seine rechte Hand nicht spüren, aber zumindest konnte er sich auf sie stützen. Er musste mit einem Stromstoß aus einem E-Schocker betäubt worden sein.

„Agent Novum, was ist passiert?“

Er verharrte ein paar Sekunden auf seinen Knien, dann sprang er in einem Ruck auf die Beine. Er schwankte kurz bedrohlich nah an der Kante des Daches, dann fand er sein Gleichgewicht wieder.

„Ich weiß nicht genau. Ich glaube, ich bin per Stromstoß betäubt worden. Delta Vier, kannst du sie noch sehen?“

Erst jetzt viel ihm auf, dass er ein wenig lallte, ungefähr so wie man klingt, wenn man ein oder zwei Drutkart-Biere zu viel hatte, aber noch so tat, als sei man stocknüchtern. Wobei man schon nach nur einem Glas von dem Zeug Kopfschmerzen bekam.

„Negativ, Sir.“

Wozu hat man Droidendrohnen, wenn sie nie zu etwas Nutze sind.

Beim Bau der kugelförmigen und mit zwei schwenkbaren Flügeln ausgestatteten Drohnen schienen Höflichkeitsfloskeln am wichtigsten gewesen zu sein. Es gab keine Option, das „Sir“ am Ende jeder Aussage abzustellen. Dafür war wohl an anderen Bauteilen gespart worden, zum Beispiel an den grottig schlechten Kameras.

Er ließ seinen Blick schweifen, so gut es eben ging, wenn man zwei oder drei Bier zu viel hatte. In der Dämmerung konnte er nichts sehen außer einem endlosen Gewühl an Ständen aus Holz und etwas Stahl, das sich in alle Richtungen erstreckte. Auch die Hochhäuser der Oase waren mittlerweile fast vollständig in der Dämmerung verschwunden. Von hier oben verschmolzen die Geräusche aus den umliegenden Gassen zu einem Brei, der es unmöglich machte, einzelne Gespräche zu verfolgen.

Mist.

Er griff an seine Databrille, um erneut die Funkverbindung zum Hauptquartier zu öffnen.

„Sie ist weg.“

Während er diese Worte sprach, erblickte er den kleinen Gegenstand, den die Rebellin eben verloren hatte. Er hob ihn auf.

„Allerdings hat sie bei der Flucht einen Datastick verloren. Ich lade ihn direkt hoch, vielleicht kann Mutter etwas damit anfangen.“

„Verstanden, Agent Novum. Kehren Sie zum Kontrollpunkt zurück“, erklang die Stimme des Kommunikationsagenten in seinem Ohr.

„Verstanden. Over and out.“

Müdigkeit überkam ihm, die eine Folge des Schocker-Angriffs war und jetzt stärker wirkte als das Adrenalin, das bis eben noch durch seinen Körper gepumpt war. Er ließ sich zu Boden sinken und erblickte dabei einen Graß-Dongo am anderen Ende des Daches, der ihn mit seinen großen Augen ansah.

Das längliche grüne Tier war wohl gerade dem aufgebrachten Händler entkommen, den Dao noch immer lauthals fluchen hörte. In der Oase waren Graß-Dongos beliebte Haustiere für Kinder, was neben den großen Augen und dem weichen Fell auch an ihrer Zutraulichkeit und Tollpatschigkeit lag. Hier auf dem Markt waren sie aber für den Kochtopf bestimmt, in welchen sie lebendig geworfen worden. Dao näherte sich dem Tier.

„Weißt du, was der Unterschied zwischen dir und mir ist?“, flüsterte er.

Das Tier sah ihn mit einem Ausdruck an, den man bei einem Menschen als überrascht beschrieben hätte.

„Du hast heute deinen Glückstag“.

Er nahm den Dongo mit einer Hand auf und ließ ihn in die große Innentasche in der rechten Seite seiner Uniformjacke sinken.

Das Tier gab ein leises Geräusch von sich, dass einem Pfeifen ähnelte.

Er wird perfekt sein für Lauri.

Selbst der Colonel würde dem zutraulichen Tier nicht widerstehen können. Wenigstens ein Leben hatte er heute also gerettet.

Auch wenn er immer noch enttäuscht war, dass er die Rebellin nicht erwischt hatte, so begann er doch, sich auf heute Abend zu freuen. Er würde endlich mal nicht allein zu Hause sitzen und den an- und abfliegenden Sternen-Shuttlen dabei zuschauen, wie sie ihren Weg zu einem der zwei Raumhäfen fanden.

Während er das Tier sicher in seiner Uniform verstaute, ließ ihn eine Frage aber nicht los, denn er konnte auf sie einfach keine überzeugende und logische Antwort finden. Und er hasste es, wenn Dinge nicht logisch waren. Eigentlich konnte es keine unlogischen Dinge geben, das bedeutete nur, dass man entscheidende Fakten noch nicht kannte oder aber nicht bedacht hatte. Und das hier hatte er noch nicht verstanden.

Warum haben Sie mich nicht einfach getötet?

ENDE LESEPROBE

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